Schwarzachtaler Drehorgel

 

 

 

Die Geschichte der Drehorgel

 

Wann die ersten mechanischen Drehorgeln entstanden, ist nicht genau bekannt. In einem Schriftstück von 1650 werden erstmals mechanische (Walzen-)Orgeln erwähnt. Darin gibt es eine genaue Anleitung, wie man eine Walze bestiften soll. 1709 erschien einen Katalog, in dem eine Orgel beschrieben wird, die mit einer Handkurbel gedreht wird. Als erster deutscher Drehorgelbauer gilt Johann Daniel Silbermann  (1717-1766). Er gehörte zur berühmten Orgelbauerfamilie und war ein Neffe des Orgelbauers Gottfried Silbermann.

Seit Beginn des 18. Jahrhunderts ist die Drehorgel in allen Ländern Europas als Instrument der Straßenmusiker und Gaukler, aber auch z.B. in England und Frankreich als Kirchen- und Saloninstrument bekannt. Bänkelsänger verwendeten ebenfalls eine Drehorgel.

Der Bänkelsänger gehörte zum fahrenden Volk und heißt übrigens so, weil er, um auf dem Marktplatz besser gesehen zu werden, gern mal auf einem Bänkel, also einem Fußbänkchen stand. Ihre Lieder erzählten von schauerlichen Geschichten und politischen Ereignissen, wenn sie denn aufregend genug waren.

Viele Drehorgelspieler platzieren heute einen Plüsch-Affen bei ihrem Instrument. Dies soll an die Zeit erinnern, als umherziehende Musikanten oft von einem Kapuziner- oder Rhesusaffen begleitet wurden. Das Äffchen war eine zusätzliche Attraktion, und es war dressiert, Münzen bei den Umstehenden einzusammeln, damit der Drehorgelspieler seinen Vortrag nicht unterbrechen mußte. In Hinterhöfen wurden Münzen, welche aus den oberen Stockwerken heruntergeworfen wurden, oft in Stück Zeitungspapier gewickelt.

Die Drehorgel hatte ihre Glanzzeiten um die Jahrhundertwende vom 19.  zum 20. Jh. Gaukler und Moritatensänger gaben auf Jahrmärkten in Begleitung eben ihrer Drehorgel ihre Lieder, teils schauriger Art, zum Besten. In Berlin und allen größeren Städten gehörte die Drehorgel zum alltäglichen Straßenbild. Da diese Musikinstrumente oft nicht gewartet und gestimmt wurden und entsprechend schräg klangen, nannte man die Drehorgel auch etwas abfällig "Leierkasten". Deshalb ist heutzutage nicht jeder Drehorgelspieler begeistert, wenn man sein teures und gut gepflegtes Instrument als Leierkasten bezeichnet.

Die Drehorgel fristete über Jahrhunderte hinweg auf den Straßen ein ärmliches Dasein. Ende der 60er und in den 70er Jahren begann sich das Interesse an mechanisch erzeugter Musik wieder zu regen. Das war sicherlich der Nostalgie geschuldet, aber auch dem wachsenden Wohlstand, der dazu führte, dass man sich von den "Lebensnotwendigkeiten" abwenden und wieder mit Technikgeschichte befassen konnte.

Die Drehorgel war nicht mehr Teil des Straßenbilds, aber die "überlebenden" Orgeln erfuhren wieder Wertschätzung, das Klangerlebnis der mechanisch erzeugten Musik wurde wiederentdeckt. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Drehorgelbegeisterten wieder an, die das „Kultobjekt Drehorgel“ neu aufleben lassen.

Heute werden die wenigsten Besitzer von alten oder neueren Orgeln über die Straßen und Hinterhöfe ziehen, um ihren Broterwerb zu bestreiten, die Drehorgelei wird vielmehr aus Liebhaberei und als Hobby betrieben; eine erfreuliche Entwicklung für alle Fans, aber auch die Restauratoren und Hersteller. Immer häufiger sieht man deshalb wieder Drehorgeln auf Drehorgelfestivals, Gemeindefesten oder Weihnachtsmärkten, und immer öfter hört man wieder Straßenmusikanten in den Innenstädten mit ihren Drehorgeln spielen. Ihnen macht es Freude, ihre Drehorgelmusik der Öffentlichkeit vorzuspielen und dabei ein paar Euro für sich oder einen guten Zweck zu sammeln.

In den 70er Jahren gründeten sich (übrigens nicht nur in Deutschland) eine ganze Menge Hersteller, die sich wieder mit großem handwerklichem Geschick der Fertigung von Drehorgeln widmeten. In Deutschland selbst gibt es heutzutage nur noch einige wenige bekanntere Drehorgelhersteller: Deleika in Dinkelsbühl, Hofbauer in Göttingen, Jäger & Brommer in Waldkirch, Raffin in Überlingen und Stüber in Berlin, daneben noch etliche kleinere Firmen und Bastler (im positiven Sinne!), welche sich ebenfalls der Herstellung, Restaurierung, Reparatur und Wartung verschrieben haben.

Die Bandbreite von Drehorgeln reicht, je nach Hersteller, von der kleinen Bauchorgel mit gerade mal 12 Pfeifen und dementsprechend auch 12 Tonstufen (Tönen) bis hin zu den Konzert-Drehorgeln mit bis zu 45 Tonstufen, 119 Pfeifen oder 6 schaltbaren Registern.

Näheres zur den verschiedenen Drehorgelvarianten und der Technik siehe unter „Funktion der Drehorgel“.